Klinik Lindbergh-Atelier -Nickl & Partner, München

pro:file Klinikbauten als Kraftfelder

Wie das Architekturbüro Nickl & Partner, München, organisatorische Erfordernisse mit den Bedürfnissen der Nutzer in Einklang bringt. Das 2003 fertig gestellte Lindbergh-Atelier, bei dem Nickl & Partner in Personalunion Architekten und Bauherren waren, ist sozusagen in Beton gegossene Bauphilosophie. Kontinuität und Erneuerung:

copyright by Nickl & Partner

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Jedes Projekt von Nickl & Partner folgt konsequent dieser Bauphilosophie und bleibt trotzdem ein unverkennbares Unikat mit speziellen Aspekten und Herausforderungen – seien es die landschaftlichen Gegebenheiten, die festgeschriebenen Kenndaten, der Rahmen des Budgets, die Materialien, die Bauzeit oder die städtebaulichen Kriterien.

»Im Zentrum steht der Mensch«

Krankenhausbau war immer schon Teil der gesellschaftlichen Entwicklung. Unser Gesundheitswesen befindet sich momentan in einer massiven Umbruchphase; der Markt
boomt – auch für Architekten! Die Megastrukturen der 60er, 70er Jahre sind heute
mega-out. Alles schien möglich, damals: Man ist zum Mond geflogen, Technik war wichtig
– der Medizin-Patient war unwichtig! Heute, durch diese einseitige Betrachtungsweise
nachdenklich geworden, stellt man den Patienten wieder in den Mittelpunkt. Und jetzt
kommt wieder eine andere Welle: die Wellness- Welle, das Hotel! Wie gehen Architekten
mit diesem nächsten Trend um? Welche Trends werden überhaupt die Entwicklungen
im Krankenhausbau bestimmen – wie sieht das Krankenhaus der Zukunft aus? Mit diesen Fragen im Gepäck haben wir uns aufgemacht, um zwei Architekten zu befragen, die hierzulande zu den erfahrensten auf diesem anspruchsvollen Sektor des Bauens zählen: Prof. Christine Nickl-Weller und Prof. Hans Nickl in München:

»Bei unserer Entwurfsstrategie steht immer das Architekturthema im Vordergrund.«

»Im Krankenhausbau ist die Neuinterpretation des Pavillons der beste Weg, um die Masse
der Kubatur in Parzellen aufzuteilen und damit zu differenzieren.«

updateBAU (uB): Bevor wir mehr über Ihre Haltung zu den anstehenden Bauaufgaben
des Gesundheitswesens erfahren wollen, vielleicht erst noch die Frage: Wie kam es zu
Ihrer Spezialisierung auf dieses Gebiet des Bauens, das ja durch seine hohen funktionalen
Anforderungen und komplexen Zusammenhänge im Allgemeinen bei Architekten eher ungeliebt ist – viel zu kompliziert, viel zu langweilig, zu aufwändig?

Christine Nickl-Weller (CNW): Zunächst: wir sind Architekten, keine Krankenhausspezialisten!
Wir haben ein Spezialwissen im Hintergrund, aber wir haben es nicht mit Absicht in diese Richtung gelenkt. Mein Mann hat seine ersten fünf Berufsjahre in einem Büro für  Krankenhausbau verbracht. Er hat dort in der Wettbewerbsabteilung ein Krankenhaus nach dem anderen geplant und so das Wissen angesammelt. Und dann hat er dieses Büro verlassen, in dem er sich wohl gefühlt hatte – aber er konnte kein Krankenhaus mehr sehen! Er hat dann mit einem Kirchenzentrum begonnen und ich bin in den Staatsdienst eingetreten und habe mit meinem bescheidenen Beamtengehalt erst mal für die Familie gesorgt. Dadurch hatten wir
die Chance, unabhängig zu sein. Nur zwei Jahre später haben wir dann drei Wettbewerbe hintereinander mitgemacht und einen gewonnen. Das war das Klinikum Weiden – und das war der erste Schritt, dieses Wissen wieder zu benutzen.

uB: Mies van der Rohe hat einmal gesagt: »Baue nie ein Krankenhaus…« Hans Nickl (HN): Jeder reine Funktionalismus führt irgendwann zum Stillstand, tötet die Kreativität; und die Struktur der Krankenhäuser damals war ja voller Zwänge, rein funktionalistisch aufgebaut. Der reine Funktionalismus wird für den Bereich Krankenhäuser, Pflegeheime, betreutes Wohnen zum
Problem; deshalb haben wir damit angefangen, andere Strukturen zu wählen. Die Struktur
ist ja für uns das Wichtigste, das Gesamte. Innerhalb der Struktur lassen sich dann Teile
auswechseln; aber die Teile bestimmen das Ganze. Das modulare Zusammensetzen ist
Prinzip unserer Architektur. So können wir auf unsere Erfahrung zurückgreifen und kleine
Elemente oder Materialien wieder einsetzen, die sich bewährt haben. Die Kunst besteht
darin, das Detail zu gestalten, denn das Bauwerk lebt vom Detail, nicht von der Oberfläche. Das ist das, was unsere Bauten auch von anderen Krankenhausbauten unterscheidet. Es ist ja immer noch so, dass viele der Krankenhausbauspezialisten rein funktionalistisch an die Aufgabe herangehen, ihre Muster immer weiter optimieren und darüber vergessen, dass man auch entsprechend gestalten muss! Mit dem Krankenhaus Agatharied haben wir ja damals das echte Antikrankenhaus entworfen. Alle haben gesagt: unmöglich, das ist kein Krankenhaus! – weil es keine funktionale Maschine war. Oder vielleicht besser: weil es kein Typ war, nicht einzuordnen. Das kann es eigentlich nicht geben.

»Ein Krankenhaus ist heute für uns ein Ort der Begegnung.«

CNW: Jetzt komme ich wieder zu unserem strukturellen Denken, das uns so wichtig ist:
Wir müssen einfach Masse auflösen, weil Großstrukturen nicht überall hinpassen, aber
auch, um den menschlichen Maßstab zu wahren. In Krankenhäusern haben wir es heute
mit vielen Menschen zu tun. Wenn man es genau analysiert: Bei den 500 Betten eines
kleinen Gesundheitszentrums sind das 500 Patienten, die sind vielleicht jeder 5 Tage da,
dazu 1000 Personen vom Pflegepersonal, die leben 200 Tage im Jahr in ihrem Haus, dazu
700 Besucher pro Tag; alles in allem entspricht dieser Ort – von der Bevölkerung, dem
Verkehrsfluss, der Orientierbarkeit, Wiederfindbarkeit her – einerKleinstadt!
HN: Ein Krankenhaus ist heute für uns ein Ort der Begegnung. Menschen unterliegen großen
Belastungen, wenn sie sich nicht wohl fühlen; viele kommen mit einer unwahrscheinlichen
Angst in das Haus. Was können wir Architekten hier überhaupt leisten? Wir können doch nur – und das ist minimal – dafür sorgen, dass die Patienten ein Ambiente vorfinden, in dem ihnen diese Angst ein bisschen genommen wird, dass das Haus »selbst-verständlich« für ihn ist. Wenn dieses Bewusstsein – hier wird mir geholfen – eine Selbstverständlichkeit ist, dann haben wir
unsere Spitzenleistung als Architekten erfüllt! Wenn das stimmt, wenn wir da unsere Kraft
aufgewendet haben, dann sind wir zufrieden. Im Vergleich dazu ist der Funktionalismus
eine ingenieurmäßige Arbeit, aber nichts für Architekten! Klingt zwar etwas hart, aber wir
sehen das einfach so.

CNW: Darin sehen wir unsere ureigenste Aufgabe als Architekten, daran arbeiten wir bis ins Detail, dass wir dieses Ambiente schaffen, für beide Gruppen – Personal und Patienten.
Wir fangen an zu denken: Wie könnte eigentlich die Vision von so einem neuen Haus sein? Die Funktionen – wenn man sie beherrscht – bekommt man immer gut hinein.

Bauherr Land Hessen, vertreten durch Hessisches Baumanagement Regionalniederlassung Rhein- Main
Planung und Bauleitung Nickl & Partner
Planungssoftware Allplan
Baukosten (netto) 245 Mio. Euro
BGF 106 800 m2
BRI 474 300 m3
Wettbewerb 1999, 2. Platz
Planungsbeginn 04/2000
Baubeginn 2001
Baufertigstellung 2010

copyright by: Nickl & Partner Architekten GmbH
Prof. Hans Nickl, Prof. Christine Nickl-Weller
Lindberghstraße 19, D-80939 München
fon +49 89 360514-0, fax +49 89 360514-99
mail@nickl-architekten.de
www.nickl-architekten.de