Brücke zwischen den Disziplinen – Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart

pro:file  Effizienz, Ästhetik, Ökologie und soziale Verantwortung

Wie die Ingenieure von Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart, die Brücke zwischen den Disziplinen schlagen

Das international renommierte Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner verfügt über ein kreatives Team von mittlerweile fast 60 Mitarbeitern; das Büro wächst entgegen dem allgemeinen Trend.

copyright by sbp  Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart

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Mehr als 50 % des Auftragsvolumens kommt aus dem Ausland. Das Team besteht aus acht Partnern: den beiden Senioren, Jörg Schlaich und Rudolf Bergermann, und Hans Schober, der schon sehr lange mit ihnen zusammenarbeitet, sowie Wolfgang Schiel, der die solaren Projekte betreut. Dann gibt es die vier jüngeren Partner: Mike Schlaich, Knut Göppert, Andreas Keil und Sven Plieninger, die die Aufgabe übernommen haben, das Büro in
die Zukunft zu führen. Mit 60 erfahrenen Mitarbeitern ist eine ausreichend schlagkräftige Truppe vorhanden, um Projekte verschiedenster Größenordnungen bearbeiten zu können, vom ganz kleinen Projekt, das nur einer bearbeitet – kleinen kniffligen Ingenieuraufgaben wie dem Killesberg-Turm – bis zu Teams von 12 bis 15 Mitarbeitern bei Stadien oder Brücken

„Am Anfang des Entwerfens steht der Dialog zwischen Ingenieur und Architekt.”

Baukunst ist unteilbar: So lässt sich kurz und bündig die Zielsetzung des Ingenieurbüros
Schlaich Bergermann und Partner formulieren. Es geht in erster Linie um die Zusammenarbeit,
darum, Gutes zu schaffen in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen. Damit ist nicht nur der Architekt oder der Ingenieur gemeint, sondern auch viele andere Techniker, die am Bau arbeiten. Nur wer heute disziplinübergreifend, materialübergreifend – also mit etwas breiteren Ideen – arbeitet, der hat auch die Chance, interessante und wertvolle Projekte zu realisieren, Projekte, die der Öffentlichkeit mehr geben als bloße Funktionalität.
Seit Jörg Schlaich 1972 das Zeltdach über dem Münchener Olympiastadion konstruiert
und damit Baugeschichte geschrieben hat, ist unter diesem Credo ein großer Fundus an
technisch interessanten Projekten entstanden, die sich in der Öffentlichkeit gut darstellen.
Dies zu tun – anderen darüber zu erzählen, wenn man etwas für technisch wertvoll hält
– wird bei SBP als ein wichtiger Teil der Arbeit verstanden. Das Büro ist von der Bedeutung
überzeugt, die ein in der Öffentlichkeit positiv besetztes Bild des Berufsfeldes eines
Bauingenieurs hat; einmal, weil gute Architektur nur zusammen mit gutem Ingenieurwissen
funktionieren kann. Zum anderen, um gute Ingenieurbauwerke – wie Brücken –
entstehen zu lassen. Ein Feld, in dem es genug unansehnliche Beispiele gibt. Zum klassischen Hochbau zählen bei Schlaich Bergermann und Partner Projekte wie das Europäische Patentamt in Genf, Porsche in Leipzig, eine Akademie in Herne, der Bundestag mit Günther Behnisch. Aktuell sind die Erweiterung der Deutschen Bibliothek in Leipzig – ein Wettbewerbserfolg der Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler – das oder das Europäische Parlament. Was macht nun die Zusammenarbeit mit den Architekten so erfolgreich? Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, aber allen ist gemeinsam: Die Ingenieure wollen am Entwurf beteiligt sein – im Bereich Tragwerk – und verstehen ihre Aufgabe nicht nur darin, „es schon irgendwie hinzubekommen“. Das Entwickeln von Alternativen setzt voraus, dass der Ingenieur sich ein Stück weit auch mit
dem Architekten, seinen Zielen befasst. Es gibt Architekten, die mehr konstruktiv veranlagt
sind und gerne Seiltragwerke einsetzen – wie bei den Messehallen zu sehen ist. Es gibt aber auch andere, die mögen absolut keine unterspannten Träger. Es gilt dann, diese jeweiligen Vorstellungen aufzugreifen und ein entsprechendes Tragwerk zu finden, das vielleicht sehr schlank aussieht, aber eben nicht unterspannt oder aufgelöst: das macht die Ingenieure zu Partnern der Architekten. Etwas sehr Wichtiges kommt hinzu: bei Schlaich Bergermann und Partner hat man eine „architektonische“ Meinung. Es wird zum Beispiel auch über Farbe geredet und gesagt, wenn die Farbe nicht so gut gefällt. Das hat schon manches Mal beim Architekten Überraschung ausgelöst, dass beim Ingenieur Sensibilität für diese Dinge vorhanden ist. Aber andererseits wissen es Architekten auch zu schätzen, wenn man sie in ihren ureigensten Fragestellungen versteht; auch das hat zu der sehr guten Zusammenarbeit mit vielen namhaften Architekten beigetragen.

Das geht hin bis zur nahezu festen Zusammenarbeit: Mit dem Büro von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg, sind in den letzten Jahren sehr viele Projekte entstanden. Einfach
aus der Erkenntnis heraus, dass man sich gegenseitig in der Arbeit befruchten kann. Wenn eine Seite eine Idee entwickelt, kommt von der anderen Seite ein Beitrag dazu, vielleicht entwickelt sich sogar etwas Eigenständiges. Voraussetzung für diesen Idealfall ist aber, dass auf Augenhöhe diskutiert werden kann. Nur wenn sich dieses Zutrauen beim Architekten findet, lässt sich ihm etwas vom Gedankengut des Ingenieurwesens vermitteln. Diesen Einfluss nehmen selbst Architekten wie Gehry auf, von dem man das im ersten Moment nicht glauben würde – seien es Formgebungsprozesse oder die Herstellung von Form über rechnergenerierte Strukturen. Wenn die Akzeptanz da ist, das Gesprächsklima stimmt, wird der Beitrag der Ingenieure zur Formfindung auch geschätzt. Die Rolle des Ingenieurs beim Entwurf hängt
auch davon ab, um welches Bauwerk es sich handelt. Bei einem Verwaltungsbau geht es
mehr um Funktionalitäten. Bei einer großen Messehalle, wo das Markante, Erkennbare
an der ganzen Architektur das Tragwerk sein wird, sind Ingenieure ganz anders gefordert.
Man muss bei allen Messehallen anerkennen, dass es ohne den Architekten und Ingenieur
nicht zu der jeweiligen Architektur gekommen wäre: Baukunst ist eben unteilbar! Leider ist diese Erkenntnis noch nicht so weit verbreitet, wie es wünschenswert wäre: Selbst in der Fachpresse – von der Tagespresse ganz zu schweigen – erfährt der Leser selten, wer
für die Ingenieurleistung verantwortlich ist.

Dieses Problem hat auch mit dem Stand der Ingenieure in der Gesellschaft zu tun. Mit Bauingenieuren wird immer noch das „Hinrechnen“ verbunden. Der Bauingenieur wird mit dem Statiker in Verbindung gebracht, oder dem, der Gummistiefel und Bauhelm trägt und in der Baugrube nach dem Rechten schaut. Die kreative Seite des Berufes, die Beschäftigung mit dem Entwerfen von Konstruktionen vielfältigster Art ist nur selten im Blickfeld. Das ist auch deshalb sehr schade, weil es heute abschreckt, in dieses Studium einzusteigen: Die meisten  Studienanfänger entscheiden sich für die Architektur, weil sie glauben, dass sie dort ihre Kreativität besser entwickeln und zum Einsatz bringen können, was eigentlich nicht stimmt. Mehr junge Leute für den Beruf des Bauingenieurs zu begeistern, ist ein weiterer Grund dafür, über die gelungenen Beispiele zu reden, damit sich etwas ändert. Ansätze sind durchaus vorhanden, gerade in Stuttgart, wo das Übergreifende in der Lehre schon seit längerem gepflegt wird. Es gibt gemischte Seminare mit Architekten und Ingenieuren, die bereits im Grundstudium anfangen. Dies hängt natürlich auch mit Professor Schlaich zusammen, der in Stuttgart gelehrt hat und der sich stets bemühte, diese „andere Denke“ zu verbreiten. Die jüngere Generation wächst stärker mit der Notwendigkeit auf, gemeinsam zu einer Lösung zu
kommen. Eine Einheit zu bilden, um ein spezielles Projekt gut nach vorne zu bringen, gelingt
nur denjenigen, die dies bereits während der Ausbildung geübt haben – miteinander
zu diskutieren, eigene Ideen zu vermitteln, die der Ingenieur zu dem Projekt hat. Ein großes Defizit in der Ausbildung: dass Ingenieure nicht lernen, ihre Arbe iten zu präsentieren. Von Diplomanden aus ostdeutschen Hochschulen wird der Begriff „verteidigen“ gebraucht: seine Diplomarbeit verteidigen. Das bedeutet nicht „Kampf“, sondern das Zurechtlegen von Argumentationen, das Erklären der Idee. Anders als bei den Architekten wird das bei den Bauingenieuren im Allgemeinen nicht praktiziert. Würde diese Fähigkeit geschult, wäre es für den Ingenieur einfacher, dem Architekten zu zeigen, warum man etwas so oder anders plant.
Den Ingenieuren bei Schlaich Bergermann und Partner jedenfalls macht es Spaß, wenn Dialog entsteht, wenn Archi tekten verstehen wollen, warum man etwas gerade so macht.
Es gibt auch Architekten, die sehr konstruktiv denken und sehr knifflige Fragen stellen. Und
wenn man darüber nachdenken muss: hat er vielleicht Recht? Da macht die Arbeit erst
richtig Spaß, da entsteht Dialog!

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Die Grundlage zu pro:file_2 ist ein Gespräch zwischen Sven Plieninger und Andreas Keil (Schlaich Bergermann und Partner) und Ulrike Sengmüller und Jo Heber (update: BAU) im Dezember 2004.

Idee und Konzeption: Dr. Bettina Hierath, Nemetschek Deutschland GmbH
Realisation und Redaktion: www.updatebau.de
Fotos: Studio Kinold München; H. G. Esch, Hennef; J. Schmid,
Köln; U. Schwarz, Berlin; H.-C. Brinkschmid, Hamburg;

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